Unruhe in der Lyrik-Szene

Es tut sich was im Lyrik-Leben an der Ruhe. Leider nichts Gutes.

Nach dem Eklat letzten Monat in Castrop-Rauxel scheint die Dichterfraternität im Ruhrgebiet in unaufhaltsamer Desintegration begriffen. Die Protagonisten der Szene sind zum Teil geflohen, freiwillig ins Exil gegangen, haben sich paramilitärischen Organisationen angeschlossen oder schlichtweg bessere Zeitvertreibe als Dichten entdeckt.
Mehmet Günç, der leidenschaftliche Improvisator aus Bochum-Hofstede, hat sich derweil einer örtlichen uniformierten Miliz angeschlossen und hält mit einer Handvoll Gesinningsgenossen derzeit die Bochumer Innenstadt besetzt. Die Forderungen der Putschisten sind bislang unklar, obwohl sie schon den ganzen Tag über Reden halten.
Balthasar Grünspan, der wohl zurecht hierzulande als lebende Legende verehrt wird, soll Augenzeugenberichten zufolge ein Krösken mit dem lyrischen Schwergewicht Boris U. aus M. angefangen haben. Unbestätigten Berichten zufolge soll er außerdem bei sodomitischen Akten im Düsseldorfer Stadtparkteich beobachtet worden sein. So besorgniserregend solche unappetitlichen Details aus seinem Privatleben auch sein mögen, und ungeachtet des moralischen Schadens den das Ansehen des Reviers als Kulturgebiet dadurch unweigerlich erleiden wird, zumindest läßt Grünspans so errungene Dichtung, insbesondere sein jüngstes Experiment in der Dinglyrik, Hoffnung für die Zunkunft der Poesie zwischen Ruhr und Emscher (und, in diesem Falle, Rhein) zu.
Was moralisch und strafrechtlich fragwürdige Praktiken angeht, so wird Hr. Grünspan weit überrundet von einer gewissen Fr. Brodt-Mathches, die in jüngster Zeit zum Teil auf der Bildfläche erschien. Ganz hat sie nicht draufgepasst. Gegen Fr. Mathches-Brodt ist ein Ermittlungsverfahren in Sachen Pädophilie bei der Staatsanwaltschaft Recklinghausen anhängig. Das mutmaßliche Opfer Kevin K. aus C. (12) ist zur Zeit untergetaucht, nicht aber ohne zuvor Fr. Brodt-Mathches‘ unsittliche Annäherungsversuche öffentlich denunziert zu haben. „Die doove Doris, die will mich küssen“, so Keven K. wörtlich. Frau Mathches-Brodt kam vorübergehend auf Kaution frei, ist aber seitdem mehrfach polizeilich aufgefallen, vor allem durch Stalking von Frl. Spichalski aus W. Letztes Wochenende wurde Fr. Brodt-Mathches schließlich in die geschlossene Anstalt Dortmund-Aplerbeck eingeliefert, wo sie z.Zt. unter Beobachtung steht. Ihr Hausarzt, Dentalepidemologe Dr. Struhl aus E., beschreibt ihren derzeitigen Zustand als, so wörtlich, „unerquicklich, aber im Bereich des für Fr. Brodt-Mathches zu erwartenden Rahmen“.
Der berühmte Gelsenkirchener Barockdichter Sigismund Schimmelpoth derweil scheint sich endgültig aus dem Geschäft zurückgezogen zu haben. Hr. Schimmelpoth litt in den Vergangenen Wochen unter manisch-depressivem Liebeskummer, dessen Objekt die berüchtigte Fr. Mathches-Brodt gewesen zu sein scheint. Persönliche Freunde und literarische Wegbegleiter zeigten sich am vergangenen Freitag gleichermaßen überrascht, als der bis dahin zutiefst zivilisationspessimistische Dichter sein Weltbild buchstäblich über Nacht über den Haufen geworfen zu haben schien. Schimmelpoth selber soll für diese plötzliche Gemütswandlung dem Vernehmen nach die quasi-chirurgische Entfernung einer zu eng geschnürrten Krawatte verantwortlich machen. Reporte aus gewöhnlich gut unterrichteten Kreisen weisen jedoch darauf hin, dass Hr. Schimmelpoth am Freitag in Witten von Optikermeisterin M. Spichalski eine Brille verschrieben bekam, und das seine eher ablehnende Reaktion Fr. Brodt-Mathches gegenüber zeitlich genau mit diesem Ereignis zusammenfällt. Zufall?
Hrn. Schimmelpoths und Frl. Spichalskis Verbleib seit dem Wochenende ist noch ungeklärt. Hrn. Schimmelpoths literarischer Agent, Hr. Rudibert v. Schwölz, gab gegenüber der WHATS zu verstehen, dass er selber über den momentanen Aufenthaltsort der beiden nicht unterrichtet sei, dass er aber zu seiner allergrößten Besorgnis eine E-mail erhalten habe, in der Hr. Schimmelpoth ankündige, er habe das Verseschmieden satt und habe, so wörtlich, „getz wat besseres zu tun“. Was soll nun aus der Ruhrgebietsdichtung werden?