-kultur zwischen Joghurt- und Hoch-

hauptstadtthemen

Schon vor 75 Jahren, lange bevor wir Kulturhauptstadt waren,  wusste uns Wiktor Kramski zu sagen, dass…

„[…] die ganze Sache mit der Kultur und so so eine Art Zyklus ist. Das fängt ganz bescheiden an, da geht einer auf die Jagd um seine Familie zu  ernähren. Da muss er früh raus für, und kommt spät nachhause, das macht ja kein Spass. Da denkt er sich, zücht ich mir doch lieber Kühe, da bau ich mir einen Stall, dann hab ich nicht immer so weit zu laufen. Und dann kann ich die auch melken, Milch soll ja auch gesund sein. Also man sieht schon, Kultur kommt von Agrikultur und fängt damit an, dass der Mensch faul ist. Und deshalb hat er auch keine Lust immer so früh auszustehn, und da bleibt die Milch auch manchmal ein paar Tage lang in der Ecke stehn. Und das stinkt dann natürlich, aber da merkt der Mensch: da wächst ja was, und aus der Milch wird was anderes, Butter, Quark, Käse, und das ist ja auch ganz schön, wenn man sich erstmal an den Gestank gewöhnt hat. Das ist dann die Joghurtkultur. Aber der Mensch ist immer noch faul, und manchmal ist er beim melken nicht so ganz bei der Sache und summt so vor sich hin, also ich weiß nicht, Wagner, oder La Paloma oder sowas, und auf einmal merkt er, dass die Kuh dann mehr gibt, weil, das ist ja jetzt wissenschaftlich erwiesen, Musik erhöht den Milchertrag. Und dann fängt der Mensch an zu komponieren, damit man auch mal was Abwechslung hat, denn immer nur Wagner und La Paloma ist ja auch nicht schön. Und da kriegt er dann richtig Spass dran und vergisst darüber bald das Kühemelken. Und das schöne an der hohen Musikkultur ist ja: das findet ja abends statt, da muss man auch nicht so früh für austehn. Nur, so ein ganzes Symphonieorchester im Kuhstall, das ist ja jetzt ein bisschen eng auf die Dauer, da sagt sich der Mensch: lass uns doch ein Konzerthaus bauen! Tolle Idee, aber das Problem ist eben: der Mensch ist faul, und auf Dauer fängt auch auf der tollen Idee der Schimmel am wachsen, genau wie seinerzeit auf der Milch, die zu lange in der Ecke gestanden hat. Und dann sagt sich der Mensch am Ende doch, lass doch den ganzen Mist bleiben, dann geh ich doch lieber wieder jagen […]“

(aus: Wiktor Kramski, Popsucie Świata, unveröffentlichtes Manuskript, 1935. Archive of the Institute for Contextual Studies, Tampere. Übersetzt von Magda Spichalski.)