Hartmut Plinsefuß gegen Überreaktionen

Bei der Nacht

In dieser Kolumne werden Aspekte der Kultur des Ruhrgebiets unter die Lupe genommen. Das hat uns gerade noch gefehlt. Was Sie hier lesen, sollte Sie nachdenklich stimmen. Irgendjemand muß ja das Lämpchen weitertragen; denn ihm brennt bereits sehr trübe.

Hartmut Plinsefuß gegen Überreaktionen

Gestern fand in dem idyllischen algerischen Kurort Aynen an der Klatsche der XVII. Kongress des Bundesverbandes der Verschiedenen statt. Dem Bundesverband der Verschiedenen gehören 23 psychatrisch einschlägig bekannte Persönlichkeiten an, davon 12 juristische Personen und 11 aus Persönlichkeitsspaltungen hervorgegangene. Alle 23 sind verschieden, mit Ausnahme des Vorsitzenden Hartmut S. Plinsefuß aus Bad Castrop-Rauxel. Plinsefuß leidet unter einer äußerst seltenen Abnormität: er ist völlig normal ! Darüber hinaus steht fest, daß der 43jährige vereidigte Betriebswirtschaftsprüfer (Plinsefuß testete beruflich und privat über 400 betriebseigene sowie 56 volkseigene Kantinen) von absolut niemandem verschieden ist. Psychologen bezeichnen dieses erstaunliche Phänomen als, so wörtlich, „morbus indentificensis plinsepedensis“.

Auf dem turbulenten Verschiedenenkongreß kam es unterdessen zu erheblichen Tumulten. Ausgangspunkt der Aufregungen war der einstimmige Mißtrauensantrag von ca. 22 verschiedenen Mitgliedern gegen den bis dato völlig unbescholtenen Vorsitzenden Plinsefuß. Grund für das von allen verschiedenen Rednern unterschiedslos vorgetragene Mißtrauen war eine Pressekonferenz am Vortag, auf der Plinsefuß niedergeschlagen mit seinem bis dahin wohlgehüteten Geheimnis an die erstaunte Öffentlichkeit getreten war. Mit zittriger Stimme teilte er den verdutzten algerischen Journalisten, die eigentlich eine Regierungserklärung des algerischen Algerienministers Mahmud el Qazzel erwartet hatten mit: „Mein Leben war eine einzige Lüge. Bitte verzeiht mir. Aber … ähh …, … ich bin garnicht verschieden.“ Im gleichen Atemzug jedoch warnte Plinsefuß vor Überreaktionen.

Die besagten algerischen Journalisten waren vor allem deshalb verdutzt, weil ihnen Plinsefuß‘ schicksalsschwangeren Worte rein linguistisch unverständlich blieben. Gleichzeitig waren sie verwundert, den ihnen wohl vertrauten Mahmud el Qazzel (denn für diesen mußten sie Plinsefuß halten, da letzterer von ersterem ja nicht verschieden war) in fremden Zungen reden zu hören. Auf die wirren Zwischenrufe der Journalisten konnte Plinsefuß jedoch nicht eingehen, da ihn derweil der Schwermut übermannt hatte.

Gleichwohl stellte er sich noch am selben Vormittag, zurück im Kongreßzentrum, zur Wiederwahl, in der er dann trotz des vorangegangenen Mißtrauensantrages einstimmig bestätigt wurde: Hartmut Plinsefuß hatte sich selbst gewählt, und da er von den übrigen 22 Kongreßteilnehmern genauso wenig verschieden war wie von sonst irgendwem, …